Wege in die IT #2: Laura Köpl

von Adrian Döring⠀|⠀
veröffentlicht am 20.11.2023

Noch nie war es so einfach, auch aus ungewöhnlicheren Biographien und mit einem fachfremden Studium quer in die IT einzusteigen. Im Kontext der Veranstaltung „IT’s HerStory: Wege in die IT“ des IT-Verbandes Mainfranken haben wir unsere Mitarbeiterinnen gefragt, wie sie die IT-Branche aus weiblicher Sicht erleben.

Nach Claudia Walter haben wir unsere Kollegin Laura Köpl gefragt. Laura ist schon seit einigen Jahren bei K&K und kümmert sich unter anderem um den Vertrieb von ERPNext. 

Laura Köpl, Teamleiterin ERP-Team und Vertrieblerin bei K&K Software, lächelndes Porträtfoto
Laura Köpl: Teamleiterin ERP-Team und Vertrieblerin bei K&K Software (Bild: K&K Software AG)

Grüße dich. Kannst du mir etwas über deinen professionellen Werdegang erzählen?

Nach meine Abi habe ich natürlich erst einmal überlegt, was ich machen möchte. Da hatte ich mehrere Sachen im Hinterkopf, von Psychologie über Wirtschaft bis hin zur Lehrerin. Aber dann dachte ich, Wirtschaft und Recht waren meine Schwerpunkte, und die haben mir auch Spaß gemacht, also mache ich etwas in dem Bereich.

Dann habe ich als duales Studium angefangen, weil ich unabhängig von meinen Eltern sein wollte, und habe dann auch eine Stelle für ein duales Studium zur Handelsfachwirtin bei Fahrrad Schauer in Schweinfurt gefunden. Das hat auch sehr gut zu mir gepasst, ich habe mich nämlich sehr Technik interessiert, darunter auch für Bikes und Autos, und diese Stelle hatte dann auch viele technische Aspekte: Reparaturannahme, KFZ-Zubehör, Werkzeuge aber auch Fahrradverkauf, -zubehör, Fahrrad- und Rollerwerkstatt, Motorradzubehör

Eine Reihe von Fahrrädern in einem Fahrradladen
Zunächst arbeitete Laura in einer Fahrradabteilung. (Bild: pixelshot via Canva Pro)

Was war dann deine Aufgabe bei Fahrrad Schauer?

Das war wirklich ein 40-Stunden-Job, Montag bis Samstag, und dazu noch alle paar Wochen Studienphasen von 2-3 Wochen Dauer. Bei Fahrrad Schauer habe ich sehr viel gelernt, mir selbst angeeignet und konnte dadurch am Ende als Springer in allen Abteilungen eingesetzt werden. Angefangen habe ich bei der Reparaturannahme, dann war ich unter anderem in der Fahrradabteilung, dann in der Motorradabteilung… die war zuständig für Funktions-Bekleidungen, KFZ-, Motorrad und Fahrrad-Zubehör, aber auch für die ganzen Damensachen, zum Beispiel Kindersitze, Fußmatten oder Sitzbezüge. Das war so die Frauenabteilung, da kam dann auch kein Mann rein.

Oh, es gab also eine Trennung, das war dann also die Abteilung für die weiblichen Kunden?

Nein, nein, in dem Team gab es nur weibliche Mitarbeiterinnen! Auch wegen dem ganzen Bekleidungsthema, die alten Klischees eben. Aber am Ende hab ich mich mit allem ausgekannt. Dann war ich noch an der Kasse, die war relativ komplex und stressig, da wir nur eine Kasse hatten, und schließlich kam ich dann nach zwei Jahren, das war dann etwa im Jahr 2009, zusätzlich noch ins Büro.

Nachdem ich viel Verantwortung für die Werbung übernommen hatte, teils inklusive Satz, aber hauptsächlich welche Artikel zu welchem Preis angeboten werden, habe ich irgendwann auch mit dem Webverkauf angefangen, zum Beispiel auf ebay. Unsere Homepage habe ich dann auch gepflegt. Mit den Aufgaben kam ich das erste Mal dann auch in das IT-Thema rein. Dann habe ich auch unser Warenwirtschaftssystem gepflegt. Die letzten 1 – 2 Jahre, also nach Abschluss meines Studiums, war ich dann immer „zur besonderen Verwendung“.

Wurdest du dann in die IT-Systeme eingelernt?

Ich habe mir die Sachen weitgehend selber beigebracht, das hatte auch mit der Philosophie von Fahrrad Schauer zu tun. Da wurden unter anderem Zeitschriften angeschafft, mit denen die Azubis dann selbst lernen sollten

Alter Computer Röhrenbildschirm mit Tastatur ist wie eine Zeitreise in längst vergangene Zeiten
Mit Windows 3.11 hat es für Laura angefangen. (Bild: Collage_Best via Getty)

Hattest du dann vorher schon was mit der IT zu tun?

Klar hatte ich schon Kontakt zu Computern. Ich hatte schon früh ein Interesse an PCs, daher habe ich dann auch später einen Verein (den GEOLab e.V. in Gerolzhofen, Anm.) gegründet, weil ich mich als Frau mit Technikinteresse immer ein bisschen alleine gefühlt habe. Meine Eltern haben mich zwar so gut gefördert, wie sie konnten, aber hatten leider selbst nur wenige Berührungspunkte mit Computern.

Mein Vater hat mir dann immer ausrangierte Computer aus der Arbeit organisiert, als er hörte, dass ich einen PC wollte. Ich habe dann mit Windows 3.11 und mit DOS-Befehlen gearbeitet. Da habe ich dann das gemacht, was möglich war. Aber klar: Wenn du niemanden hast, dann kommt man nur begrenzt weit.

on meinem Konfirmationsgeld wollte ich mir dann schließlich einen richtig guten PC kaufen. Damit bin ich dann zum Fachhandel, und der Verkäufer hat dann gedacht, ich wollte den nur für die Schule nutzen. Ich hatte natürlich noch keine Ahnung von Hardware.

Aber da war dann schon wieder Stempel: Da wurde gedacht, da kommt ein Mädchen, die wird ohnehin nicht Zocken oder anspruchsvolle Sachen machen wollen. Die haben mir dann so einen echten Office-Computer verkauft. Ich hatte dann vor allem einen Scanner und einen Drucker. Das hätte ich nie gebraucht. Ich wollte einen schnellen Computer!

…und den hast du nicht bekommen?

Ich hatte mich so auf den PC gefreut! Ich habe mir vorher immer die Computer Bild Spiele gekauft, und hab mir dann auch von meinen Eltern ein Rennspiel gewünscht, und dann, du ahnst es wohl schon, lief es natürlich nicht.

Weil du als Frau ja angeblich keine Videospiele spielen willst.  

Ja, genau. Ich hab mich dann an den kostenlosen Spielen aus der Computer Bild Spiele bedient – als Schüler hat man ja noch nicht so viel Geld für Spiele übrig – und bin dann noch im Mainfrankenchat gewesen, falls dir der noch etwas sagt. Das war eine coole Webseite zum Austausch, und man konnte sich auch eine eigene Page bauen. Meine war natürlich grottenschlecht, Inhalte waren mir damals egal, Hauptsache es blinkt! Glitzer und alles. Da habe ich dann das erste Mal ein bisschen mit html gearbeitet.

Und dann eben später in der Ausbildung habe ich dann mit Kassensystemen und Warenwirtschaftssystemen gearbeitet. Ich konnte also PCs, zumindest aus Benutzersicht, schon ganz gut bedienen. Aber ich war weit davon entfernt, mich mit der IT wirklich gut auszukennen.

Das kam dann erst später, als du angefangen hast, bei K&K zu arbeiten?

Und auch heute sehe ich mich definitiv mehr als User. Das ist glaube ich auch wichtig, weil ich heute ja unsere Kunden zur Nutzung von ERPNext berate. Zumindest haben mir schon Kunden gesagt, dass sie an mir schätzen, dass ich mich ganz gut in sie reinversetzen kann.

Gingst du direkt von Fahrrad Schauer zu K&K?

Nein, da gab es noch eine Station. Beim Schauer war ich mit 24 an meinen beruflichen Grenzen angelangt, daher bin ich weiter zu Wütscher Industrietechnik, also auch eher etwas Technisches. Wütscher ist im Großhandel für die metallverarbeitende Industrie unterwegs. Das war dann auch technisch noch mal deutlich anspruchsvoller als der Schauer, und ich habe auch schnell viele Aufgaben angezogen. Ich habe unsere Kunden zu Profi-Werkzeugen beraten, also z.B. Bohrer, Fräser, Wendeschneidplatten, haltende Werkzeuge für die Maschinen, teils sehr großen Messwerkzeugen oder professioneller Betriebsausstattung. Zu jedem Bereich gab es aber Spezialisten, mein Steckenpferd war z.B. ein neues Produkt, ein Lasermarkiergerät von Trumpf, da habe ich dann auch Kunden darauf geschult, und Support angeboten – auch für die Kunden meiner Kollegen.

Ich habe dann auch Schulungen zu anderen Themen, die Hausmesse und die Regiotage organisiert, bei denen wir zu den Kunden in die Region kamen. Ich hatte mehrere Außendienstler, mit denen ich im Innendienst zusammengearbeitet habe . Und zuletzt habe ich zwei weitere Gebiete komplett ohne Außendienstler betreut. Zusätzlich habe ich unserem Vertriebsleiter assistiert. Und ich habe mich schon wieder um die Webseite gekümmert und war verantwortlich fürs Marketing, vor allem in Form von Giveaways. Ich habe außerdem interne Sachen über ein in die Jahre gekommenes für Wütschner programmiertes Tool verwaltet.

Aus deiner Geschichte mit dem Konfirmationscomputer klang eine leichte Frustration darüber an, als Frau in Computersachen unterschätzt worden zu sein. Würdest du sagen, dass das immer noch der Fall ist, oder ist das besser geworden?

Auf jeden Fall ist das besser geworden. Die IT als Branche selbst ist auch aufgeschlossener. Die ist nicht in alten Denkmustern gefangen, da kommt eine ganz andere Mentalität mit. Die IT ist nicht nur von der Technik her moderner, sondern auch von Mindset. Dem Geschäftsführer ist es egal, ob du männlich, weiblich oder nichtbinär bist, da kommt es auf die Skills an, die du hast. Wenn du Potential hast, dann wird das entwickelt und du darfst deine Fähigkeiten einsetzen.

So ein Mindset ist im Umfeld des CCC (Chaos Computer Club) natürlich noch extremer ausgeprägt, aber auch bei den Firmen ganz deutlich spürbar. Da wirst du als Frau auch nicht als Kaffeeholer oder so abgestempelt. In der IT denkt da gar niemand daran.

Wie sieht es bei Kunden aus?

Da sind Vorurteile leider noch manchmal präsent. Bei der IT ist das aber weniger ausgeprägt als bei meinen früheren Jobs. Und dadurch, dass ich mit ihnen schon häufiger konfrontiert wurde, wurde das auch einfacher, man sieht da irgendwann drüber weg und ist selbstbewusst und sieht die Kunden die einen wertschätzen.

Mal ein Beispiel: Beim Schauer kam mal ein Kunde herein, wollte ein Fahrrad kaufen, sah mich und fragte sofort, obwohl ich mich natürlich auskannte: „Holen Sie mal jemand, der Ahnung hat.“ Das ist natürlich wie ein Brett ins Gesicht. Ich kannte das aber schon und die Pointe ist: Ich bin dann auch gegangen. Und habe meine Kollegin Dagmar geholt.

Was würdest du gerade jungen Frauen sagen, die mit Sexismus konfrontiert sind? Gerade, wenn sie selbst in die IT wollen?

Mutig sein, standhaft bleiben. Und Mut kann man übrigens lernen.

Gerade in dem Kontext: Wie würdest du bewerten, dass dieses Interview und auch diese Vortragsreihe existieren muss?

Ich würde sagen, es ist eigentlich eine traurige Notwendigkeit. Auch wenn wir sagen, dass wir eine aufgeschlossene Gesellschaft sind, merkt man an vielen Stellen, dass es einfach noch ein langer Weg ist. Klar, wir haben schon viel zurückgelegt: Ich hab hier noch ein altes Buch, von 1953, Der Lebenskreis der Frau, da steht noch drin, dass, wenn bei zwei Geschwistern, Bruder und Schwester, der Bruder dumm und die Schwer schlau ist, immer noch der Bruder studieren gehen soll. Wenn man das mal mit Heute vergleicht, sind die Fortschritte schon toll. Aber es ist trotzdem noch ein gutes Stück zu gehen.

Mir geht es mit dem Thema vor allem darum, dass klar werden soll, dass die IT auch für Frauen weit offen ist. Wir müssen uns immer bewusst machen, dass Klischees sich auch in der Welt manifestieren können. Und klar: Wenn du voll weißt, dass du dem Klischee der kommunikativen Frau nicht entsprichst, ist der Weg in die IT eh klar. Aber auch wenn du eine sehr typische Frau bist: Die IT braucht auch dich!

Als Teamleiterin von einem ERP-Team muss ich sagen: Ich brauche dringend mehr Frauen. Ich brauche vielleicht auch Menschen, die einfach Skills mitbringen, die man eher mit Frauen assoziiert. Ich sehe die Vorteile in einem gemischten Team jeden Tag: Ich habe eine Programmiererin, ich habe eine Scrum-Masterin, und ich das Team ist dadurch viel lockerer. Das tut jeder Firma gut. Das tut auch den Kunden gut.

Es gibt auch immer in der IT Chancen, sich weiterzuentwickeln. Ich habe in der Vorstandsassistenz angefangen, und habe jetzt das 10-köpfige ERP-Team aufgebaut. Wenn es sich also ergibt, kann man sich auch innerhalb der Branche immer wieder neu orientieren.

Hast du noch ein Tipps für Frauen, die in die IT wollen, sich aber vielleicht nicht sicher sind?

Das ist eine gute Frage, weil es immer eine individuelle Frage ist. Es gibt so viele Arten, sich mit dem Thema IT zu befassen. Wenn man sich zum Beispiel denkt, man würde gerne coden, dann sollte man auch mal auf Codeacademy oder Ähnliches gehen und schauen, ob das Spaß macht. Oder mal versuchen, sich zuhause eine Sprache beizubringen, oder sich einfach mal mit dem Thema Computer ganz allgemein in der Freizeit befassen. Das eigene Wlan verwalten oder Ähnliches.

Und wenn man das Geld für Tools nicht hat – obwohl viele, auch gute Werkzeuge, inzwischen kostenlos sind (und es DSL und Internet-Flat gibt, im Gegensatz zu meiner Jugend) – gibt’s in der Nähe eigentlich immer einen Hackerspace, auf den man zugehen kann. In Gerolzhofen gibt es den GEOLab e.V., den ich gegründet habe, aber auch anderswo sind Anlaufstellen nicht weit. In Bamberg gibt es den Backspace, oder in Würzburg das Labor 23. Da findet man immer Leute, die sich für Technik interessieren. Die sind auch alle total nett und offen. Niemals würdest du da hören: Du bist eine Frau, geh an den Herd. Niemals.

Ein Beitrag von: Adrian Döring

Adrian Döring ist bei K&K Software für die Pflege der Blogs und für besondere Text- und Medienaufgaben zuständig. Er hat Germanistik und Anglistik studiert, einen Master in Literatur und Medien gemacht und lehrt und promoviert aktuell an der Universität Würzburg zu Subkulturen und neuen Medien. Mit K&K verbindet ihn eine Leidenschaft für IT, Open Source und kreative Aufgaben.

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